Special Reports / Diskriminiert, unerwünscht, unsichtbar?

Das ist eine Debatte über das Wesen der europäischen Freiheit

Necla Kelek · 13 August 2013
Dank der Debattenkultur in Deutschland konnte auch über ein Buch, wie Sarrazin es geschrieben hat, diskutiert werden, die Demokratie hat in diesem Falle gesiegt. Über Sarrazin redet niemand mehr. Aber über Integration schon.

Über 16 Millionen Bürger nichtdeutscher Herkunft leben in diesem Land. 80 Prozent dieser Einwanderer haben keine Probleme, können sich hier eine Zukunft aufbauen und dabei ihre Identität wahren und haben das Land bereichert und weitergebracht. Niemand verlangt von einem Einwanderer, dass er seine Tradition verleugnet oder aufgibt. Diese Traditionen sind aber meist mit den Werten unserer Gesellschaft kompatibel und die meisten haben keine Probleme damit, einen Platz, eine Nische für sich und ihre Gruppe zu finden. Einerseits ist also die Geschichte der Zuwanderung eine deutsche Erfolgsgeschichte.

Andererseits ist die Integration gescheitert. Probleme haben diejenigen, die Kultur nicht als Konsens, sondern als Differenz leben wollen. Diese Gruppe ist fast ausschließlich im Umfeld der in konservativen Islamverbänden organisierten Scharia-Muslime zu finden. Wir reden bei diesen sich selbst ausgrenzenden Migranten über eine Gruppe von weniger als 1,5 bis 2 Millionen Bürgern. Bei dieser Gruppe kapituliert die Politik, indem sie auf das Konzept der Emanzipation verzichtet, das Europas Kern ausmacht, nämlich dass für die Zivilgesellschaft freie und gleiche Bürger gebraucht werden. Offenbar lehnen viele Migrationsforscher, Integrationsbeauftragte und die von ihnen beratenen Politiker es ab, eine europäische Wertegemeinschaft anzustreben. Für sie ist die Gesellschaft divers, vielfältig, indifferent. Eine konstruktive Integration aller Migranten ist von ihnen nicht vorgesehen. Diese Diversität wird aber ausschließlich von konservativen Muslimen und ihren Freunden, aber weder von Polen, Vietnamesen oder Spaniern verlangt. Man könnte fragen, warum.

Ich persönlich hoffe, dass die Europäer erkennen, dass Modernisierung nicht identisch ist mit Demokratisierung, siehe Saudi-Arabien und die Emirate. Es ist an der Zeit, klare Forderungen nach demokratischen Verhältnisse auch innerhalb der Migranten-Gruppen zu stellen. Wir müssen sehen, dass die Türkei in zwei Lager gespalten ist, wie auch die drei Millionen Türkischstämmigen in Deutschland zwei Lager bilden. Die anatolisch und religiös Geprägten wollen die Islamisierung mit Hilfe der AKP auch in Europa. Die Anderen wollen Europa so wie es ist. Die Debatte über den politischen Islam muss kritisch und konsequent weitergeführt werden, weil es um den Kern unserer Freiheit geht. Dies gilt auch für Sinti- und Roma-Familien, die oft patriarchalisch strukturiert sind. Ohne die Hilfe des Sozialstaates und einer aktiven Integrationspolitik kann ihre Integration nicht gelingen.