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Energierevolution auf Schwejk’sche Art

Jakub Patočka · 28 May 2013
Lasst euch nichts vormachen, es ist nicht Deutschland, das uns mit seiner solaren Hexenkunst irre machen will. Wen es interessiert, wer dafür verantwortlich ist, der schaue in den Himmel.

Bezüglich der Politik für erneuerbarere Energien gibt es in Europa zwei Herangehensweisen. Einerseits sind das die Länder, die den Wunsch haben, oder denen es sogar ein Anliegen ist, die Energiewende zu fördern. Deutschland ist es gelungen, aus der Energiewende das größte intellektuelle und ökonomische Abenteuer der Gegenwart zu machen. Für das nationale Projekt, das den Beginn der „grünen Ära“ bedeutet, hat das etwa den gleichen Stellenwert als hätte Deutschland den ersten Menschen auf den Mond geschickt.

Die zweite Gruppe sind Länder, die offen skeptisch oder der Energiewende abgeneigt sind. Schaut man sich die Europakarte an, die die Trends in der Entwicklung erneuerbarer Energiequellen im Verhältnis zur inländischen Energiewirtschaft abbildet, fällt auf, dass in diesem Bereich der Eiserne Vorhang noch immer unangetastet ist. Als wäre die Einstellung zu erneuerbaren Energien Abbild des allgemeinen Zustandes der politischen Kultur.

Das Solar-Eldorado der Korruption

Nichts bestätigt diesen Verdacht besser als das Beispiel der Tschechischen Republik. Die hiesigen Politik- und Wirtschaftseliten haben ein recht subtiles und wahrhaft teuflisches Kunststück vollbracht. Einerseits wurde die vom Staat geförderte Werbekampagne als „Förderung der erneuerbaren Energien im deutschen Stil“ gekonnt manipuliert, und zwar so, dass absurdal hohe Geldsummen in den Händen von Vertretern der Politik- und Wirtschaftseliten gelandet sind, die privilegierten Zugriff auf die Subventionen hatten.

Andererseits wurde das Scheitern dieser ganzen Kampagne geschickt politisch ausgenutzt, obwohl dieses Scheitern aus der Frustration der Gesellschaft angesichts rapide anwachsender Korruptionsvermögen resultierte, die durch die vom Staat garantierten Preise für Strom aus erneuerbaren Energiequellen möglich geworden waren. Im Ergebnis sieht die Gesellschaft in der regenerativen Energiewirtschaft, insbesondere in der Solarenergie, den Grund für alle Verluste und Unwirtschaftlichkeiten, ohne die Rolle der politischen und ökonomischen Struktur zu bemerken, die zu dieser Unwirtschaftlichkeit und zur Veruntreuung beigetragen haben. Es wird betont, dass die gesamte Gesellschaft mit ihren individuellen Stromrechnungen für das Regierungsprogramm zahlen muss. Obwohl es sich nachweisen lässt, dass nur ein geringer Teil des Stroms, für den die Energiekonzerne Preiserhöhungen vorgenommen haben, aus erneuerbaren Energiequellen stammt, ist es gelungen, die Menschen davon zu überzeugen, die Schuld für die gesamte Situation bei der Sonne zu suchen.

Das war vermutlich nicht beabsichtigt. Aber als die satten, korrupten tschechischen Eliten die Chance sahen, zusätzliche Gelder aus dem öffentlichen Budget zu schlagen, konnten sie der Versuchung nicht widerstehen. Als dann klar wurde, dass der Ansturm auf die Gelder allzu offensichtlich gewesen war, und als die öffentliche Meinung tobte, musste ein Sündenbock gefunden werden. Und weil diejenigen, die den größten Nutzen aus dem Solar-Eldorado ziehen gar nicht an einem ökologischen Programm interessiert sind – meistenteils sogar dagegen sind – wurde dieses Programm zum idealen Sündenbock.

Ein Schritt vorwärts, zwei zurück

Und so haben wir eine Energiewende auf Schwejk’sche Art. Fragen Sie einen durchschnittlichen tschechischen Bürger, wer sich die Gelder angeeignet hat, die der Entwicklung regenerativer Energiequellen dienen sollten, lächelt er gutherzig und zeigt mit dem Finger auf die Sonne.

Doch das war erst die erste Etappe. Die tschechische Version der Energiewende hat auch eine zweite Etappe vorzuweisen. Wenn die öffentliche Meinung mit erheblicher Unterstützung unermesslich inkompetenter tschechischer Medien davon überzeugt wurde, dass die regenerativen Energiequellen für uns nicht die Zukunft sind, was kann dann die Zukunft sein?

Sie haben es erraten. Als wollte sie ihrer Empörung über die Tatsache, dass die Gelder aus dem Fördersystem für erneuerbare Energien ausgegeben sind, Luft machen, zieht die Regierung allen Ernstes einen Beschluss zum Bau eines dritten und vierten Blocks im Atomkraftwerk in Temelín in Erwägung. Das würde 20 Milliarden Euro kosten und wäre die mit Abstand größte Investition in der tschechischen Geschichte.

Mehr noch, denn unter technischen Gesichtspunkten soll diese Lösung den erneuerbaren Energiequellen ähneln. Während für die Solarenergie für fünfzehn Jahre feste Preise garantiert waren, soll die Atomenergie für den bisher unvergleichlichen Zeitraum von 40 Jahren gefördert werden, was eine buchstäbliche Einbetonierung der Energiepolitik für die Zeit von zwei Generationen bedeuten würde. Darf man fragen, warum jemand etwas so Verrücktes tun sollte? Tja, zehn Jahre der beinahe unangefochtenen Atompropaganda haben in der Mehrheit der tschechischen Gesellschaft eine Art Nationalstolz auf den Atomstrom entstehen lassen. Das ist einer der besten Beweise dafür, wie irrational nationale Selbstzufriedenheit sein kann.

Natürlich ist das Ziel des Projektes, ein neues riesiges Loch zu schaffen, das die tschechische politische Korruption versorgen soll. In jedem Falle kann sich die aktuell regierende Koalition der rechten tschechischen Parteien mit diesem Projekt ernähren, was bei weitem nicht bedeutet, dass die linke Opposition nicht von Korruption infiziert ist.

Ein Atomprojekt nach unseren Möglichkeiten

All das soll in einer Situation stattfinden, da die internationale Debatte um die Zukunft der Atomenergie im Grunde bereits erschöpft ist. Es besteht keine Notwendigkeit, über Sicherheit, Atommüll und Ethik zu diskutieren, wenn klar geworden ist, dass die gesamte Technologie anachronistisch und unbeholfen ist. Die Atomenergie scheint heute das zu sein, was die Dampfmotoren zu Beginn der Dieselepoche waren. Doch die Tschechen haben Erfahrungen mit einer solchen Politik. Schließlich hatte zu Beginn der LCD-Fernseher-Ära der Staat dem Konzern Philipps hohe Gelder zur Verfügung gestellt, um in Tschechien Fabriken für traditionelle Fernsehbildröhren zu bauen.

Wenn die Atomenergie als Tool für die Förderung der nationalen Souveränität beworben wird, sollte es niemanden wundern, dass im Zentrum der Debatte die Frage steht, ob dieses Großprojekt von den Amerikanern oder den Russen durchgeführt werden soll. Lasst euch nichts vormachen, es ist nicht Deutschland, das uns mit seiner solaren Hexenkunst irre machen will. Wen es interessiert, wer dafür verantwortlich ist, der schaue in den Himmel.