Special Reports / Freiheit, Klima, Elektrizität!

Der Energiewende-Verbraucher ist ein Sklave

Wojciech Jakóbik · 28 May 2013
Ursprünglich, zu Beginn der Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts, war es das Ziel der Energiewende, die deutschen Konsumenten zu Prosumenten zu erziehen. Unabhängige Energieproduzenten sollten ihre eigene Energie herstellen und den Überfluss in das gemeinsame Netz einspeisen. Deutschland betonte das Bedürfnis nach Unabhängigkeit von den zur Neige gehenden und immer teurer werdenden fossilen Brennstoffen und nach Selbstbestimmung im Bereich Energie.

Derzeit sind diese Ideale in Deutschland vollkommen degeneriert. Heute wird die Energiewende von oben und mithilfe eines zentral geplanten Subventionssystems durchgeführt, unabhängig von dem Willen der deutschen Energieverbraucher, die gleich nach den Dänen die höchsten Energiepreise in Europa zahlen. Der Bundesumweltminister Peter Altmeier hat durchgerechnet, dass die Kosten für die Energiewende bis 2040 an eine Billion Euro heranreichen werden. Ökokreise wie die Initiative Agora Energiewende suchen nach Lösungen, die die Kosten der Energierevolution senken. Doch immer öfter denkt man auch über Großprojekte wie DESERTEC in der Sahara nach.

Fremde Reaktoren, bezahlt von den Bürgern

Auch der EU-Kommissar für Energie Günther Oettinger kritisiert den Energiewendeplan. Er ist der Meinung, das endgültige Abschalten der Atomenergie, das für 2022 geplant ist, wird dazu führen, dass Deutschland zwar weiterhin Atomenergie nutzen wird, aber fremde Atomenergie, die in Reaktoren außerhalb der Grenzen der Bundesrepublik hergestellt wird. Seitdem im Jahr 2000 das Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien (EEG) verabschiedet wurde, steigen die Stromrechnungen schneller als die Inflation. Darüber hinaus ist seit der Bekanntgabe dieses Planes der Kohleverbrauch in Deutschland um 4,9 Prozent gestiegen, denn mit dem Abschalten der Atomkraftwerke entscheidet sich Deutschland neben erneuerbaren Energiequellen auch für die billige Kohle. Hinzu kommt, dass – wie die Deutsche Energie-Agentur einschätzt – in der Bundesrepublik mehrere Dutzend Kohle- und Gaskraftwerke entstehen müssen, damit die geplanten Ziele der Energiewende erreicht werden können. Kraftwerke, die fossile Brennstoffe verarbeiten, sollen eine Alternative im Falle von Unterbrechungen in der Versorgung mit erneuerbaren Energien sein, die beispielsweise bei abruptem Wetterwechsel eintreten können. Eine andere Alternative ist der Import von elektrischer Energie.

Kritiker der Energiewende betonen, dass diese sich durch die Zuschüsse vor allem in den Portemonnaies des Ottonormalverbrauchers bemerkbar mache. Die Prosument-Ideen bleiben unverwirklicht, im Gegensatz zu den Interessen mancher Lobbys, wie beispielsweise der Verkäufer von Solarzellen und Windrädern. Die Energiewende wird auch von der Europäischen Kommission befürwortet, die eine Intervention auf dem CO2-Emissionsrechte-Markt unterstützt (Emission Trading Scheme – ETS), backloadinggenannt. Die Beamten in Brüssel sind der Meinung, diese Zertifikate seien allzu preiswert, wodurch sie unzureichend dazu anregen, sich von den „schmutzigen“ fossilen Brennstoffen abzuwenden. Deshalb wollen sie die Preise für die CO2-Emissionsrechte künstlich anheben, indem sie eine Zeitlang einen Teil der Rechte vom Markt zurückziehen. Ziel dieser durch und durch marktungünstigen Strategie ist die Anhebung der Kosten für Investitionen in konventionelle Energie solange, bis die Investitionen in erneuerbare Energien konkurrenzfähiger werden. Die Eurokraten stehen vor einer schwierigen Aufgabe, denn gegen backloading haben sich bereits die Lobby der energieintensiven Industrie, Polen und die Mehrheit der Abgeordneten im Europäischen Parlament ausgesprochen. Deutschland war in dieser Frage uneinig. Das Thema soll auf der Agenda der Europäischen Kommission bleiben.

Polityk---diabe?-energetyczny

Die zentrale Steuerung der Energiewende steht in keinem Verhältnis zur ursprünglichen Idee der dezentralen Stromerzeugung, die auf erneuerbarer Energie beruhen sollte, die „von unten“ durch freiwillige Prosumenten hergestellt wird. Heute sind die Endverbraucher in Wirklichkeit Sklaven der Energiewende. Solche dermaßen kostspieligen Programme wie die deutsche Energiewende senkt die Konkurrenzfähigkeit Europas im Verhältnis zu wachsenden Großmächten wie beispielsweise China. Damit hängt das sogenannte carbon leakage-Phänomen zusammen – die Abwanderung der Schwerindustrie außerhalb der Grenzen des überregulierten Alten Kontinents. Vorbote dieses Wandels ist vielleicht der Handelskrieg zwischen der EU und dem Reich der Mitte, dessen billige Solarzellen eine ernste Herausforderung für den deutschen Sektor für erneuerbare Energie ist, der seinen Absatzmarkt auf dem Alten Kontinent verteidigen muss. Möglicherweise machen die billigen Anlagen aus China den Europäern eine selbstständige Energiewende in ihren eigenen Häusern möglich.

Der polnische Kampf um Unabhängigkeit im Bereich Energie

Der derzeitige Umweltminister Marcin Korolec hat weitreichende Bemühungen unternommen, um eine rationale Antwort auf die Klimapolitik der EU zu finden. Dank seiner Initiative wird die UN-Klimakonferenz im November in Warschau stattfinden. Dies gestattet den Polen ein Heimspiel um die Zukunft der Klimapolitik.

Korolec ist skeptisch bezüglich der Absicht, die Klimaziele noch höher zu setzen. Derzeit bemüht sich Polen, die aktuellen Ziele zu erfüllen, drei mal 20 Prozent bis 2020. Die EU hatte beschlossen, bis zu diesem Zeitpunkt die CO2-Emission um 20 Prozent zu senken, den Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix um 20 Prozent zu steigern und die Energieeffizienz um 20 Prozent zu erhöhen. Polen hat auf diesem Weg große Fortschritte gemacht. Wir haben innerhalb der vergangenen zwei Jahrzehnte das Bruttoinlandsprodukt verdoppelt und gleichzeitig die Emission von Treibhausgas um fast 30 Prozent reduziert. Korolec warnt davor, voreilig sogenannte Meilenschritte zu machen, mit denen die Europäische Kommission noch ehrgeizigere langjährige Pläne auferlegt. Er würde sich wünschen, die Europäische Union hielte sich mit der Entscheidung bis zum Abschluss der globalen Klimaverhandlungen, der für 2015 vorgesehen ist, zurück. Womöglich rechnet er damit, dass im Laufe dieser Verhandlungen die ökonomische Kalkulation die Oberhand über die Ideologie gewinnt und es kein „neues Kyoto“ geben wird.

Polen muss in der Energiewirtschaft auf Innovation setzen. Wir sollten unsere Wissenschaftler bei der Suche nach innovativen Lösungen unterstützen. Es wäre gut, wenn die Entwicklung des Sektors für erneuerbare Energien einer schrittweisen Deregulierung unterläge und die Grundsätze so einfach wie möglich wären. Polen kann sich ein weiteres Sozialprogramm wie die deutsche Energiewende nicht leisten, ebenso kein strengeres Regime in der Klimapolitik. Wenn die Ökologen die hohen Zuzahlungen für den Bergbau kritisieren, ist es Zeit, dass sie sich für die Argumente von Kritikern der Subventionierung erneuerbarer Energiequellen öffnen. Die erneuerbaren Energien sollten sich von unten her entwickeln, so wie es in den Prosument-Ideen angelegt war. Umso mehr wird die Antwort auf die Frage nach der Richtigkeit der Klimapolitik und der etatistischen Steuerung der Energiepolitik in den kommenden Jahren zentrale Bedeutung für die Konkurrenzfähigkeit der Industrie in Polen und Europa haben.