Special Reports / Die Europäische Union ist ein Club der gedemütigten Imperien

Die Europäische Union ist ein Club der gedemütigten Imperien

Karolina Wigura · 18 December 2012

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[ Wersja polska / polnische Version ]

Sehr geehrte Damen und Herren,

1936 brannte ein architektonisches Wunderwerk nieder, der Kristallpalast in London. Die aus Gusseisen und Glas errichtete Konstruktion war eine der größten Attraktionen der englischen Hauptstadt. Vor einigen Jahren verglich Peter Sloterdijk, der bedeutendste lebende deutsche Philosoph, die Europäische Union mit ebenjenem Kristallpalast.

In seiner berühmten Metapher wertete Sloterdijk die Einigung des alten Kontinents als Versuch der Errichtung einer Wohlstands- und Sicherheitssphäre, einer immunologischen Schutzzone zur Abwehr von Krankheiten und Bedrohungen.

Heute nimmt Sloterdijk eine andere Position ein. Seiner Ansicht nach verspielt Europa gerade eine historische Chance. Man habe unentwegt über Frieden und Freiheit geredet, über Einheitlichkeit und Verschiedenartigkeit, und geglaubt, dass Politik und bürgerliches Engagement sich aus der Eintönigkeit heraus herstellen ließen. Die tiefe Krise, in der sich die Finanzmärkte, die Politik und die Währungsunion befinden, hat eine weitere, viel bedeutsamere Krise offenbart. Es mangelt dem gemeinsamen Europa an nichtökonomischen und nichtpolitischen Grundlagen, auf die es sich stützen könnte. Wir sind an Bord eines Schiffes gegangen, dessen Kapitäne im Streit miteinander liegen, und niemand weiß, welcher Kurs eingeschlagen werden wird, sagt Sloterdijk. Verkündet der Karlsruher Philosoph also bereits das Scheitern der Europäischen Union? Zerbricht der neu errichtete Kristallpalast vor unseren Augen? Welche Scherben werden von der ehrwürdigen Nobelpreisträgerin übrig bleiben?

Mit Peter Sloterdijk könne man es weit – fast überallhin – bringen, schrieb Rüdiger Safranski. Er sei ein großer Philosoph und ein genuiner Schriftsteller, „ausgestattet mit existentiellem Eigensinn, einem Überschuss an gedanklicher Spielfreude und der glücklichen Bereitschaft, sich von der Sprache zu Einsichten führen und verführen zu lassen”. Wir laden Sie ein, sich gemeinsam mit dem Autor der „Kritik der zynischen Vernunft” auf eine Reise in die düstere Zukunft der Europäischen Union zu begeben.

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Das vorliegende Thema der Woche setzt eine Reihe über die Zukunft der Europäischen Union fort, die von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit und dem Magazin Kultura Liberalna erstellt wird. Weitere Ausgaben folgen in Kürze!

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre.

Karolina Wigura


 

 

Konzept dieser Ausgabe: Karolina Wigura
Mitarbeit: Jakub Stańczyk.
Koordination des gemeinsamen Projektes der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit und der „Kultura Liberalna”: Monika Różalska und Ewa Serzysko
Illustrationen: Antek Sieczkowski.
Aus dem Polnischen von Lisa Palmes (Interview) und Heinz Rosenau (Editorial).

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