Nach 1989 wurden in den Beziehungen zu Deutschland Rahmen des Dialogs auf Basis der Partnerschaft geschaffen. Leider ist seit 2015 neue Geschichtsschreibung eine der Programmaufgaben der regierenden Koalition.
Die gegen die Deutschen existierenden Ressentiments auszuspielen, zahlt sich in Polen sowohl außen- als auch innenpolitisch aus. Der Propagandatrick „zu Zeiten des bösen Deutschen” wurde zum ersten Mal im großen Stil im Wahlkampf 2005 von den Wahlstrategen des Lech Kaczyński genutzt. Der Spruch über den „Großvater aus der Wehrmacht” wurde zum Synonym der politischen Manipulation und dient in der Hochschuldidaktik als Beispiel der sog. schwarze Propaganda. Aus der Zeitperspektive schien jene Geschichte eine Ankündigung einer viel breiter angelegten Strategie zu sein.
Kontexte: status quo ante bellum
Um die letzte Jahrhundertwende schien es, dass wir über die deutsch-polnische Geschichte einander alles sagen können. Vom Brief der polnischen Bischöfe an die deutschen Bischöfe aus dem Jahre 1965 mit der berühmten Phrase „wir vergeben und bitten um Vergebung”; Versöhnungspolitik von Willy Brandt in den 70ger Jahren; über die Vorreitererfahrung bilateraler Forschungen und didaktischer Aufarbeitung der Geschichte im Rahmen der Gemeinsamen Deutsch-Polnischen Schulbuchkommission der Historiker und Geographen (gegründet 1972); bis hin zur Einberufung von professionellen historischen Institute in Warschau (1993) und Berlin (2006) und den Hunderten von Projekten im Bereich der Wissenschaft, Kultur und Bildung – es schien, dass man über die deutsch-polnische Vergangenheit frei von Tabus und ohne politische Animositäten reden kann.
Dank dem an beiden Seiten vorhandenen politischen Willen wurde die „ewige Feindschaft” durch die Geschichte der Wechselwirkungen ersetzt, also durch eine solche Betrachtung der Geschichte, dank der man den Nachbarn verstehen kann. Und verstehen hieß gar nicht, ihn zu rechtfertigen.
Ein sichtbarer Bruch kam Anfang des 21. Jahrhunderts, als die Aktivisten des deutschen Vertriebenenverbandes nicht nur eine Welle der Ressentiments, sondern auch eine Welle der Revindikationsforderungen ins Rollen gebracht haben. Das natürliche Bedürfnis, an das Drama einer Vertreibung aus der Heimat zu erinnern, ist zu casus belli im Medienbild der Beziehungen zwischen Deutschland und Polen geworden. Die an der deutschen Seite in Gang gebrachten Anspruchsformulierungen waren umso gefährlicher, weil sie mit dem Beginn des polnischen EU-Beitrittsprozesses zusammenfielen. In dem Brief an die Vizechefin des Vertriebenenverbandes schrieb ich damals, im Jahre 2003, dass die Eskalation der Forderungen der deutschen Rechten damit droht, das Erbe der polnisch-deutschen Versöhnung zunichte zu machen.
als Reaktion auf die Ansprüche der politischen Kreise der „Vertriebenen” fasste der Sejm im Jahre 2004 mit der liberal-sozialdemokratischen [!] Mehrheit die Entschließung über die Aufforderung der Bundesregierung zur Zahlung von Reparationen für die infolge der deutschen Besatzung in Polen entstandenen Schäden. Ein Teil der deutschen linken Medien stufte diese Reaktion als „histerisch“ ein. Später noch, im Jahre 2009, unternahm der Ministerpräsident Donald Tusk Bemühungen um eine versöhnliche Geste, indem er ein gemeinsames Treffen auf der Westerplatte mit Angela Merkel und Wladimir Putin anlässlich des siebzigsten Jahrestages Zweiten Weltkriegs arrangiert hat. Die Präzedenzlosigkeit dieser Begegnung hat die gesellschaftlichen Reaktionen nicht beeinflusst. Diese wurden in Polen vier Jahre später entfacht, als der größte historische ZDF-Schlager „Unsere Mütter, unsere Väter” ausgestrahlt wurde, in dem der für die Filmhandlung nebensächliche polnische Antisemitismus betont wurde. Nahezu parallel dazu wurden in diversen ausländischen Medien, vor allem in Deutschland und in den USA, „polnische Konzentrationslager” erwähnt.
Es war gewissermaßen ein Point of no return des historischen Dialogs, den weder die von den Präsidenten Joachim Gauck und Bronisław Komorowski eröffnete Ausstellung über den Warschauer Aufstand in der Berliner „Topographie des Terrors” (2014), noch die von den Medien nicht wahrgenommene Ausstellung im Abgeordnetenhaus von Berlin über den Bischof Bolesław Kominek zum fünfzigsten Jahrestag des Briefes der polnischen Bischöfe (2015) abmildern konnten. Aber auch in Deutschland fehlte es am ausreichenden politischen Willen, um eine größere Wende bei der Aufmerksamkeit für polnische Geschichte herbeizuführen. 2013 hatte die Initiative von Władysław Bartoszewski, in der deutschen Hauptstadt polnischer Kriegsopfer zu gedenken, keine Resonanz.
Trotzdem wurden während des zwanzigjährigen Bestehens des souveränen Polens reale Rahmen für Dialog auf Partnerschaftsbasis geschaffen. Massiver Schüleraustausch und Austausch im außerschulischen Bereich sowie Kontakte auf der kommunalen Ebene bauten in Deutschland systematisch das Interesse für polnische Kultur und Geschichte aus. Förderlich dabei war die staatliche Versöhnungspolitik, deren Ergebnis das weltweit zweite bilaterale Schulbuch für Geschichte „Europa. Unsere Geschichte” war.
Gegenangriff
Nach 2015 wurde die Neuschreibung der Geschichte, häufig in Bezug auf die deutsch-polnischen Beziehungen, zu einer der Programmaufgaben der in Polen regierenden rechtsorientierten Koalition. Zum Kompass der Aktivitäten wurde das von Politikwissenschaft definierte Backlash-Prinzip – schlagartige Wende, Gegenangriff und Distanzierung von den Vorgängern.
Es nimmt heute diverse Formen an: von den Versuchen, den Gegner zu brandmarken (die Figur eines Verräters), über ständig formulierte Drohungen (Reparationen), bis hin zu den moderaten, scheinbar auf Zureden stützende Methoden zur Einverleibung der medialen Realität (Auslöschen und Mission). Im Endergebnis geht es darum, alternative Ideen sowie die Errungenschaften der Vorgänger aus dem öffentlichen Diskurs zu verdrängen, wirkliche politische Gegner wegzuradieren.
Ich beziehe mich nur auf drei ausgewählte, aktuelle Beispiele, die eine so umrissene Strategie des Spiels „Der Deutsche – der ewige Feind” widerspiegeln.
Erstes Beispiel: den Verräter kreieren
Der „Feind” als Gefahr von außen und als Verräter des Staates / der Nation wurde in den allgemeinen Gebrauch von den Höhen des wissenschaftlichen Instrumentariums von Prof. Andrzej Nowak in Form der politischen Botschaft von Jarosław Kaczyński übernommen, der sich des Terminus Oikophobie bediente, also Feindseligkeit bzw. Hass auf die eigene Heimat – und mit solcher Unterstützung erlangte dieser Terminus, nicht nur unter den Nationalisten und Fußball-Pseudofans, eine neue Qualität. In der öffentlichen Dimension dient der „Feind” einer Mobilisierung der Gesellschaft um die Regierenden, die über die meisten Verteidigungsinstrumente verfügen. Wer es kritisiert oder auf Distanz geht, wird automatisch ein „Verräter” und zum Ausschluss aus der Gemeinschaft verurteilt.
Die häufigste Methode, vermeintliche Verräter auszugrenzen, besteht darin, den Betroffenen eine entsprechende Abstammung zuzuordnen und sie als „nationalfremd” vorzustellen, die wegen dem kommunistischen, linksradikalen Engagement der Eltern oder Großeltern vorbelastet sind, oder auch so ein verzerrtes Bild ihrer öffentlichen Aktivitäten darzustellen, dass sie in das „antipolnische” Schema passen.
In den neunziger Jahren gehörten solche Versuche, Tadeusz Mazowiecki, Bronisław Geremek, Aleksander Kwaśniewski oder insbesondere Adam Michnik zu diskreditieren, zu Randerscheinungen des öffentlichen Lebens. Seit nahezu einem Jahrzent (den Anfang gab das Buch „Resortowe dzieci” [„Ressortkinder“] aus dem Jahre 2013) wurde es zum Alltag in den rechten Medien, für die „der oberste Verräter” Donald Tusk ist.
Anfang November 2021 wurde zum Opfer der Imagebildung eines „Verräters” der Leiter des Europäischen Solidarność-Zentrums in Gdańsk und Chefredakteur der deutsch-polnischen Zeitschrift „Dialog” Basil Kerski. Um die präparierten Argumente glaubwürdig zu machen, wurde der Angriff nicht in einer gesamtpolnischen Zeitung, sondern in einem regionalen (sprich: nah am Ort des Geschehens agierend) Tageblatt „Dziennik Bałtycki” gestartet, das zu dem unlängst durch den staatlichen Ölkonzern PKN Orlen übernommenen Medienkonzern Polska Press gehört. In seinem Beitrag „Niemiec, ale nasz?” [„Ein Deutscher, aber unser einer?“] bediente sich der Autor einer ganzen Palette an Manipulationen, um Basil Kerski zu diskreditieren. Erwähnt wurden unter anderem „deutsche Beziehungen des Milieus der «Danziger Liberalen»”, mit denen er verbunden ist, „Zerstörung der Polonia in Deutschland”, irakische Abstammung des Vaters und als Hauptbeweis für seinen Verrat wurde die Tatsache erwähnt, dass er die deutsche Staatsbürgerschaft mit 17 angenommen hat. Diskreditierend sei für ihn auch die Tatsache, dass er ein „Dialog”-Redakteur ist, dessen Verleger die Deutsch-Polnische Gesellschaft Bundesverband ist, die als eine Art „fünfte Kolonne” in den deutsch-polnischen Beziehungen dargestellt wird.
Das ewige Problem mit Texten wie mit dem in „Dziennik Bałtycki” veröffentlichten Beitrag besteht darin, dass es unmöglich ist, gegen die de facto lügenhaften Darstellungen polemisch vorzugehen. Zusätzlich bleiben sie im Internet, infolge der technologischen Revolution, „für alle Ewigkeit” da – und können jederzeit als Argument im politischen Kampf genutzt werden. Kann es mit solch falsch kreiertem Image die Tatsache aufnehmen, dass Basil Kerski bereits Mitte der 1990er Jahre als der jüngste, 24 Jahre alte Berichterstatter der Pariser Zeitschrift „Kultura” die besten Traditionen des polnischen politischen Essayissmus gepflegt hatte und seine Berliner Wohnung eine zweite, zivilgesellschaftliche Botschaft der polnischen Kultur war?! Man bedenke, dass er 2005 für diese Aktivitäten mit dem goldenen Verdienstkreuz der Republik Polen geehrt wurde…
Zweites Beispiel: Emotionen ausspielen
Das Medienspektakel begann 2017 am Vortag des Jahrestages des Warschauer Aufstands. In einem nie zuvor in der Geschichte der III Republik Polen dagewesenen Ausmaß kam dann eine Propagandaaktion des polnischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens gegen die Deutschen ins Rollen. Ihr Ziel, das einige Wochen zuvor von dem Vorsitzenden der PiS-Partei aufgezeigt wurde, war es, Boden für die Forderung der Kriegsreparationen gegen den deutschen Staat für die während des Zweiten Weltkriegs entstandenen Schäden vorzubereiten.
Den Startschuss für die Propagandakampagne gab ein antideutscher Werbespot, der am 1. August, gleich nach der Hauptausgabe der „Nachrichten” im ersten Programm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens TVP ausgestrahlt wurde. Anschließend folgte eine Reihe von Informationen und von arrangierten Diskussionen. Das Finale bildete dann medienwirksame Unterstützung der Fußballfans des Clubs Legia, die am 2. August im Rahmen ihrer Choreographie zum Fußballtreffen einen Banner gezeigt haben, auf dem ein deutscher Soldat zu sehen war, der eine Pistole am Kopf eines polnischen Kindes hält. Der Zusammenhang war eindeutig politisch und hatte mit der Klärung tragischer Schicksale der Polen unter deutscher Besatzung nichts gemeinsam. Einfach so, denn seit dem „Großvater aus der Wehrmacht” ist bekannt, dass man „mit den Deutschen” politisches Kapital schlagen kann.
2017, als die Emotionen und der Mechanismus der Mobilisierung innerhalb des Landes gegen die vermeintliche Gefahr für polnische Interessen angesprochen wurden, wurde auf die Methoden zurückgegriffen, die aus den Zeiten der kommunistischen Propaganda gegen die Deutschen oder gegen die Juden aus den sechziger Jahren bekannt sind. Die Regierungspartei hatte nur kurzfristig den halben Erfolg erzielt, denn aus diversen Kreisen kamen Stimmen der Genugtuung wie: „endlich haben wir es denen gezeigt!”, „jetzt werden die Deutschen aufhören, uns ihre Bedingungen in der Europäischen Union aufzuzwingen!”. Offiziell hat zu diesem Zeitpunkt die polnische Regierung noch keine Ansprüche geltend gemacht. Letzten Endes wurde die diplomatische Niederlage durch den scheinbaren innenpolitischen Erfolg ersetzt – Mobilisierung der Wählerschaft „zum Schutz gegen die deutsche Gefahr”. Und so wird das Thema seit über vier Jahren je nach politischem Bedarf aus der Versenkung geholt.
Mitte 2020 war die Mehrheit der deutschen Öffentlichkeit (68 Prozent) gegen Reparationszahlungen an Polen und die Mehrheit der polnischen Öffentlichkeit (57 Prozent) unterstützte die Forderungen der polnischen Regierung. Interessanterweise befürwortet die Ansprüche in Polen nicht die Generation 60+, also eventuelle Zeitzeugen der deutschen Besatzung bzw. deren Kinder, sondern die Altersgruppe von 25–34 Jahren (67 Prozent), also eine Generation der Enkelkinder der Kriegsopfer. Man könnte sagen, es ist die Generation der „Versöhnung” und der „Stabilisierung der nachbarschaftlichen Beziehungen”. Begründet scheint in diesem Zusammenhang die Frage: wie werden die nächsten Generationen reagieren? Vielleicht wird aus Überdruss an der Geschichte eine Generation der Aufruhr heraus wachsen, die der Vergangenheit insgesamt den Rücken kehrt.
Drittes Beispiel: Imagetrick „Jetzt sind wir dran!”
Vor zwanzig Jahren, hat Marcin Zaremba im Zusammenhang mit der Machtübernahme durch die Kommunisten in vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts geschrieben, dass damals die Vergangenheit neu erfunden und entsprechend präpariert werden musste. Ich bin von einfachen, direkten Vergleichen mit der Gegenwart weit entfernt, wenn man aber der Auslegung von Anna Wolff-Powęska [„Przegląd Polityczny”, Nr. 168, 2021] folgt, wird in diesem Sinne auch heute versucht, das Wissen und institutionelle Strukturen vollständig umzugestalten.
Es werden neue Institutionen gegründet, deren Leitung neue Eliten mit festen Intentionen und Mechanismen eines modernen, als scheinbare Konzilianz verkleideten Backlash übernehmen. Eines der Beispiele kann die seit 2018 geführte sanfte Programmpolitik der Berliner Niederlassung des Pilecki-Instituts. Einerseits werden im Institut medienintensive Programme und Stipendien in moderner Form angeboten. Andererseits – wird mit dieser Strategie die Taktik verfolgt, alles abzulehnen (auszutilgen), was bisher in der Forschung und in der Vermittlung der Geschichte und Didaktik geleistet wurde.
Im Juni 2020 erschien der vierte (letzte) Band des weltweit zweiten bilateralen, von einem Team der polnischen und deutschen Historikern und Didaktikern für den Verlag WSiP [Schul- und Pädagogischer Verlag] erarbeiteten Schulbuches für Geschichte „Europa. Unsere Geschichte”. Diese Nachricht elektrisierte Bildungskreise in Europa und Ostasien.
Einmalig war die Tatsache, dass das Lehrbuch in Zusammenarbeit der Regierungen beider Staaten, innerhalb von knapp zwölf Jahren gemeinsamer Arbeit entstand – das bedeutet, dass in Polen das Projekt durch unterschiedliche politische Koalitionen und von der zivilgesellschaftlichen Seite durch die Gemeinsame Deutsch-Polnische Schulbuchkommission betreut wurde. Aus polnischer Perspektive war es ein unumstrittener Erfolg, dass das Lehrbuch den deutschen Lehrkräften und Schüler:innen Wissen über Polen und Osteuropa liefert, das bis jetzt stark vernachlässigt wurde oder gar keine Beachtung fand. Der französische Historiker Etienne François stellte fest, dass das deutsch-polnische Schulbuch die deutsch-französische Pionierleistung glatt übertrifft.
Die Herausgabe des Schulbuches wurde Anfang Dezember 2020 in der polnischen Ausgabe der Deutsche Welle öffentlich verkündet, und bereits am 4 Dezember hat die polnische Nachrichtenagentur PAP ein Gespräch mit Hanna Radziejowska, Leiterin des Pilecki-Instituts veröffentlicht, die mir nichts, dir nichts verkündet hat, dass gerade eben Forschungen am Geschichtsbewusstsein der deutschen Jugend aufgenommen wurden, die „eine Diskussion über den deutschen Geschichtsunterricht” anstoßen sollen. Die zeitliche Koinzidenz des Interviews und der Erscheinung des Schulbuches „Europa. Unsere Geschichte” scheint symptomatisch. Gleiches Schema der Äußerungen verfolgte die Leiterin der Berliner Niederlassung des Pilecki-Instituts bei ihren polnischen und deutschen Presseterminen.
Nicht ohne Bedeutung ist hier womöglich auch die Tatsache, dass das Lehrbuch zwar in Deutschland (bis auf Bayern) zum Unterricht schon vor einem Jahr zugelassen wurde, in Polen aber das Ministerium für Bildung und Wissenschaft, entgegen den Abläufen und bilateralen Vereinbarungen, immer noch keine Entscheidungen trifft. Aus Sicht der Leitung des Pilecki-Instituts sind die Errungenschaften des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes im Bildungsbereich, des Weiteren die einmalige Zusammenarbeit zwischen Warschau und Berlin oder Sachsen und Woiwodschaft Niederschlesien oder hunderte Projekte im Bereich der Geschichte auf der schulischen und kommunalen Ebene nicht existent. Anstatt das Feindbild zu kreieren, wird künstlich die Leere erzeugt und… die Aufgabe formuliert, diese Leere zu füllen.
Pointe
Das Spiel „Der Deutsche – der ewige Feind” bringt immer noch Imagegewinne für die Regierungskoalition in Polen. Die Abhandlung der Frage, warum es in Deutschland so moderate Folgen nach sich zieht, oder welche Leichen im Keller des eigenen Geschichtsbewusstseins unsere westlichen Nachbarn haben, würde eines eigenständigen Beitrags bedürfen.
In Polen haben weder die Liberalen, noch die liberalen Konservativen, noch die Linken einen Plan für eine alternative Interpretation der Geschichte. Liberal-linke Idee des Dialogs (zum Beispiel Chantal Mouffe) verliert gegen den starken Archetyp des Feindes nach Carl Schmitt, der so gern durch konservative, u.a. um die Zeitschrift „Teologia Polityczna” versammelten Kreise bevorzugt wird. Im Kontext der polnisch-deutschen Beziehungen ist es kein gutes Vorzeichen.
Die Strategie des „Feindes” wird auf günstigen Boden fallen. Über 60 Prozent der in lebendiger Erinnerung verbleibenden Orte der gemeinsamen Geschichte, also solcher Orte, die unsere Entscheidungen und Identitätswahrnehmung beeinflussen, beziehen sich sowohl in Deutschland als auch in Polen auf den Zweiten Weltkrieg und dessen direkte Folgen. Daraus ergibt sich, dass noch mindestens ein halbes Jahrhundert lang – bis die Enkelgeneration das Zeitliche segnet – die Themen rund um den Zweiten Weltkrieg hin und wieder ins Zentrum der öffentlichen Debatte rücken und die politische Szene aktiv polarisieren können.
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Herausgegeben aus Mitteln der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit.